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Was ist eigentlich Resilienz? Interview mit Wolfgang Roth


In letzter Zeit bin ich richtig gerne auf LinkedIn unterwegs. Dort gibt's spannende Menschen, denen ich gerne folge und Wolfgang folge ich bereits ein knappes Jahr. Immer wieder begeistert von seinen knackigen, gehaltvollen Gedanken, die er teilt, habe ich ihn gefragt, ob er Lust auf ein Interview hat. Und er hatte Lust, obwohl er gerade ziemlich busy ist, sein neues Buch zu veröffentlichen. Wolfgang ist Diplom Psychologe mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Resilienz und Vurnerablität. Zeit, ihn zu befragen, was es mit diesen Begrifflichkeiten auf sich hat und wie er die Welt so sieht.


Was versteht man unter Resilienz und warum ist das heute so wichtig?


Wer heute bei Google den Begriff Resilienz eingibt, findet fast 3 Millionen Einträge dazu.

Eine verwirrende Vielfalt für Einsteiger in das Thema, mit teilweise widersprüchlichen Informationen.


Beispiel:

Irgendwann triffst Du auf zwei abweichende "Sieben Säulen der Resilienz".

Welche sieben Säulen stimmen nun?


Ich habe über die letzten 25 Jahre intensiver Auseinandersetzung mit Vulnerabilität und Resilienz mein eigenes Modell entworfen, das - so hoffe ich - sehr einfach nachvollziehbar ist:


Resilienz - (D)ein Wagen mit 4 Rädern


Unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit, basiert auf vier Ebenen. Der biologischen, der psychologischen, der sozialen und der spirituellen, sinnhaften.

Diese vier Räder braucht unser Wagen, um gleichermaßen stabil und flexibel auf unserer Lebensreise agieren zu können.


Leider wird dieses Wissen in unserem Bildungssystem viel zu wenig unterrichtet.

Das wäre Präventionsarbeit pur.


Eine Vision für die Zukunft:


Menschen stärken, um ihre Gesundheit in eigene Hände nehmen zu können.

Selbstwirksam ihre Resilienz beeinflussen zu können, indem sie die vier Aspekte ihres Lebens kennen und selbst stärken können.


Resilienz ist ein bio-psycho-soziales und spirituelles Gleichgewicht im Menschen, sehr individuell.


Wie können wir gesellschaftlich ansetzen, um Resilienz zu stärken?

Beginnt das schon bei der Bildung?


Eine wunderbare Frage.

Häufig appellieren wir einseitig an die Menschen, ihr resilientes Verhalten zu stärken, um mit dem Druck besser umgehen zu können.


Doch wer zeigt ihnen, wie das geht?

Wo sind die Resilienztrainer?


Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass unser Bildungs- und Erziehungssystem hier stärker tätig wird.


Nicht im Sinne einer kompletten Verantwortungsübernahme, sondern als Unterstützung.

Gesundheit ist vorrangig Selbstverantwortung, doch dürfte mehr Hilfe zur Selbsthilfe stattfinden.



Burnout wird oft mit “zu viel gearbeitet” gleichgesetzt - was genau ist ein Burnout wirklich?


Aus meiner Sicht in "Burnout" die gesellschaftlich legitimierte Form der Erschöpfung oder Erschöpfungsdepression. Diese Begriffe verwenden wir jedoch aufgrund der nach wie vor bestehenden Tabuisierung und Stigmatisierung von reduzierter Leistungsfähigkeit oder Krankheit nicht.

In einer (Turbo-)Hochleistungs-Kultur wie in Deutschland hat soetwas (noch) keinen Platz.


Die rapide Zunahme an psychischen und psychosomatischen Erkrankungen wird den Raum jedoch schaffen.



Wir können und dürfen nicht länger die Augen verschließen.




Welche Verantwortung tragen Führungskräfte für ihre Teams in Zeiten von steigenden Burnout-Zahlen?


Führungskräfte sind in der Verantwortung, sich selbst und andere gesund zu führen.

Sie brauchen eine ausgeprägte Gesundheitskompetenz, um dieser anspruchsvollsen Aufgabe gerecht werden zu können.


Diese Kompetenz ist längst kein "nice to have" mehr, sondern als "must have".


Doch woher soll die Kompetenz kommen?


Es wird Zeit, dass Unternehmen diesen Aspekt stärker in Führungskräfte-Trainings integrieren.




Welche Fragen sollte sich jeder Mensch regelmäßig stellen?


Wer bin ich und was will ich?


Was fehlt mir in den vier Bereichen meines Lebens, in den 4 Rädern?


Haben alle genügend Luft?



Wo siehst du als Psychologe Grenzen in der Psychotherapie?


Diese Frage würde Stoff für ein Buch bieten, beginnend damit:


Was ist Therapie?


Es geht stets um menschliche Begegnungen.


Begegnungen, die so gestaltet sein dürfen, dass ein Vertrauen im Raum ist, sich zu öffnen.

Mit allem, was ist.


Die Grenze der Psychotherapie ist das Vertrauen in der Begegnung.

Und ob dies durch die Unterscheidungen, Therapeut - Klient und Gesundheit - Krankheit gefördert wird, wage ich als Frage in den Raum zu stellen.



Du warst als Führungskraft in der Personalentwicklung tätig - wie betrachtest du Personalarbeit in der heutigen Zeit? Was darf sich ändern?


Personalarbeit braucht eine veränderte Haltung. Mehr am Menschen als an Leistung und Ergebnis orientiert.



Nicht im Sinne eines "entweder oder", sondern eines "sowohl als auch".



Leider steht der Mensch oft nur in Hochglanzbroschüren im Mittelpunkt, nicht im gelebten Unternehmensalltag, und gar nicht mehr, wenn der Wind etwas stärker bläst.


"Schönwetter-Segeln" ist leicht. Menschlichkeit beweist sich im Sturm.


Erzähle uns etwas über Stress - und wie man am besten damit umgeht.


"Kein Stress ist Tod" hat einer der renommiertesten Stressforscher, Hans Selye, formuliert.

Wir brauchen Stress zum Leben, er stärkt uns sogar.


Was uns nicht gut tut, ist chronischer Stress.


Der Moment, wenn wir in der Anspannung steckenbleiben und nicht mehr entspannen können. Sowohl körperlich als auch psychisch, Aspekte, die sowieso nur in der Theorie zu trennen sind.


Körper und Psyche sind eine Einheit, und es braucht stets die Betrachtung beider Anteile.

Nehmen wir nun noch den sozialen und spirituellen Stress hinzu, ist der Wagen wieder vollständig.


Mensch(heit) quo vadis?


Ich sehe eine Zeit zunehmender Erschöpfung und Krankheit, die uns die Chance gibt,

zu erforschen, was uns fehlt für ein gesundes Leben und Zusammenleben.

Mit Mensch, Tier und Natur.



Bitte vervollständige die Sätze:


Beruflicher Erfolg ist für mich... das zu sein und zu "tun", was ich bin. Mich nicht zu verbiegen, zu verraten, zu verkaufen, sondern mein Leben zu leben, mit einem zunehmenden inneren Frieden.


Entscheidungen treffe ich so...

Folge Deinem Herzen und nimm' den Verstand mit.


In stressigen Zeiten finde ich Balance... in der Natur, in der Familie, mit Freunden und in der Musik.


Um einen Perspektivenwechsel vorzunehmen... verbinde ich mich mit meinem "inneren Beobachter".


Meine größte Leidenschaft... sind das Lernen, das Schreiben und das Meer.




Mehr Informationen zu Wolfgang Roth, seinen Coachings und Ausbildungen findest du hier:


www.institut-fuer-resilienz.de

(gerade im Neuaufbau)


Aktuell erreichbar unter

www.wolfgang-roth.com


Das Buch "Die resiliente Führungskraft" von Wolfgang Roth erscheint in Kürze



Danke, lieber Wolfgang, dass du dir die Zeit genommen hast und viel Erfolg mit deinem Buch und allem, was dir am Herzen liegt.

 

TATSINN ist eine One-Woman-Show aus Berlin. Ann-Carolin Helmreich transformiert Organisationen und hilft Menschen, in ihr Potential zu kommen, Krisen zu überwinden und wertgetriebene Entscheidungen zu treffen.

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