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Weniger Make-up - mehr Selbstliebe

Na, hat dich die Überschrift provoziert?

Ich weiß, wer sich schminkt kann genauso Selbstliebe praktizieren, wie Menschen, die es nicht tun.

Keiner und keinem möchte ich vorschreiben, wie man auszusehen hat oder was zu viel und was genau richtig ist. Dekorative Kosmetik ist für viele Menschen ein Hobby, eine Befreiung, Ausdrucksmöglichkeit, Kreativität, Leidenschaft - das Thema ist also mit jeder Menge Emotionen belastet.

Ich möchte hier lediglich von meiner eigenen Geschichte berichten.

Eine Geschichte von knapp 25 Jahren dekorativer Kosmetik, wie man so schön sagt. Eine Geschichte von einem ungeschminkten Gesicht, das sich erstmal wieder selbst annehmen und erkennen musste, um sich ganz und gar anzunehmen und zu erkennen.


Wer nicht weiß, daß er eine Maske trägt, trägt sie am vollkommensten. (Theodor Fontane)


Über 25 Jahre trage ich Make-up auf meiner Haut


Ich war elf Jahre alt, als ich mir im Badezimmer den Vergrößerungsspiegel und den blauen Kajal von Jil Sander (oh ja, wir sprechen über die 90er) meiner Mutter klaute, und begann, mich zu schminken.

Es folgten viele Versuche, die mich farbenfroh durch mein Teenager-Leben tragen sollten und rückblickend war Make-up für mich meine kleine Rebellion, Farbe immer ein Ausdruck meiner Stimmung.

Damit meine ich nicht die Art von Make-up, die man heute auf Youtube in Tutorials sieht und richtigen Transformationen Zeugin wird. Ich meine das ganz normale Alltags-Schminken mit ein wenig Mascara, einem Lidstrich, je nach Laune Foundation und wenn's mal richtig knallen sollte auch Lippenstift. Also eher das, was wohl die meisten Frauen machen, die sich schminken. Zumindest in meiner Welt.


Und wenn man mal kurz nachrechnet, dann trage ich mehr oder minder regelmäßig seit über 25 Jahren Make-up Produkte. Ab einem gewissen Punkt hat mich nur noch meine Familie oder enge Freunde bei gemütlichen Abenden ohne Make up (zumindest ohne Wimperntusche) gesehen.

Selbst beim Gang zum Bäcker wurden kurz die Wimpern getuscht. Und wie so oft, habe ich das nie wirklich hinterfragt, weil es zu einem Automatismus geworden ist. Nicht nur für mich, sondern eben auch für die Menschen in meinem Umfeld, die mich gar nicht anders kennenlernen konnten.


Ohne Make up ins Büro - unmöglich für mich


Nie hätte ich gedacht, dass ich mich ohne Make-up im beruflichen Kontext zeigen könnte.

Denn ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich mal ungeschminkt ins Büro kam und viele bedrückte Fragen nach meiner Gesundheit hörte.

Dieser Tag war Erfahrung genug und mich verließ der Mut, wirklich zu zeigen, wie ich nunmal aussehe. Ganz pur mit hellen, kurzen Wimpern, launischen hellen Augenbrauen und Schlupflidern, die Bridget Jones Konkurrenz machen. Ich eben.

Nur eine Kollegin kam mal auf mich zu, als wir uns beide überraschender Weise am Wochenende im Büro trafen, eine jede von uns noch etwas den Schreibtisch voller To-Do's abarbeiten und sie sprach mich an: "Also mit dem Hoodie und ohne Makeup finde ich dich wirklich cool, warum kommst nicht auch mal so ins Büro?". Ich redete mich schnell heraus mit der gemachten Erfahrung und traute mich trotz dieses Kompliments weiterhin nicht, mich pur zu zeigen.


Alles änderte sich auf Reisen


Wer kennt es nicht in Asien - der Schweiß läuft in Strömen (also zumindest bei mir) und schöne geschminkte Augen verlaufen binnen kürzester Zeit zu einem traurigen Panda-Gesicht, ständig kann man seine Zeigefinger unter dem Lid ansetzen und dann wischen, wischen, wischen.


Also habe ich in Asien sowieso nur einen Mascara dabei gehabt und nach drei Monaten wurde der auf den Stapel der Sachen gelegt, die ich immer am Ende meiner Reise fotografiere -

"Dinge, die ich eingepackt, aber nicht benutzt habe".


Denn als ich in Nepal auf meiner Reise ins Jahrhundert-Erdbeben geriet und mit den Spenden aus Deutschland, die mich erreichten unsere Hilfsorganisation "Garden of Hope" aufbaute, wurde die Presse auf mich aufmerksam und drehte hin und wieder mit mir.


Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als das ZDF mich begleitete und ich vorher feststellte, dass ich ein T-Shirt trug, das nicht frisch war, keine Zeit (und auch Nerven) hatte, mich irgendwie "zurecht zu machen" und einfach ein paar Ohrringe ansteckte und das für GENUG hielt. Meine Haare sind wie man deutlich sieht nicht mal gekämmt und werden eher vom Staub der Straßen zusammengehalten.


Der Beitrag wurde im ZDF ausgestrahlt. In den Nachrichten. Ein paar Millionen Menschen sehen mich nun pur, ungeschminkt, auch traumatisiert und mit diesem ungewaschenen Shirt.
Und es war mir egal. Ich war bei mir angekommen. Ein Schalter hatte sich umgelegt.

Im Spiegel jemand anderen sehen


Ich habe mich super frei und entspannt gefühlt ohne die Maske.

Endlich die Augen reiben, wenn ich müde bin, mein Gesicht unbekümmert anfassen und anfassen lassen. Keine Ränder an Kleidung, keine verwischten Augen und das Ärgernis, dass niemand mir gesagt hat, dass mein Make up nicht mehr sitzt.


Weniger Gepäck, viel schneller morgens fertig, also länger Zeit zum Schlafen, außerdem weniger Kohle, die man dafür ausgeben muss, von der Zeit die ich vor den Regalen stand um etwas auszuwählen ganz zu schweigen.


Dennoch habe ich beim Vorbeilaufen an einem Spiegel oder morgens im Bad immer noch ein Zucken gespürt. Wer ist das? Wen sehe ich, wenn ich mich im Spiegel anschaue? Das bin doch nicht ich, sondern ein "unfertiges" Gesicht. Da muss doch noch etwas gemacht werden...

Doch aus Asien zurückgekehrt, habe ich mich immer weniger geschminkt, anfangs noch so 2-3 Mal die Woche zu sozialen Anlässen und weil ich Lust drauf hatte. Dann war das Bild im Spiegel auch endlich wieder stimmig. Und doch, nach so vielen Wochen und auch Bildern ohne Make up von mir, so langsam drehte sich meine Wahrnehmung und ich bemerkte, dass Schminken mehr zur Maskerade wurde.


Radikale Selbstliebe - was ist das?


Warum muss jetzt gerade alles radikal sein?

Weil das Wort es so gut trifft, das lateinische Wort radicitus bedeutet „mit der Wurzel, von Grund aus, gründlich“. Die Wurzel meiner Selbstliebe lag lange, wie bei vielen Frauen durch unsere Gesellschaft angetrieben, im Annehmen und Akzeptieren meines Körpers, meines Aussehens. (Diese Industrie verdient ja nicht mit zufriedenen Kund*innen Geld, ist uns allen klar) Und genau da setzt Make-up ja (auch) an.


Meine Wurzel war also, mich so zu mögen wie ich bin, mit allen Sommersprossen, Poren, den erwähnten Schlupflidern und kurzen Wimpern.

Wenn man zusätzlich wie ich einen Körper hat, der selten (aber glücklicherweise immer häufiger) medial präsentiert wird, eine doppelt schwere Ausgangslage. Aber hey, wenn schon, denn schon!


Das Gefühl, auch so gemocht zu werden


Du weißt vielleicht wenn du dich täglich schminkst, wie umwerfend das Gefühl sein kann, wenn man jemanden ungeschminkt kennenlernt. Umwerfend verletzlich. Aber auch umwerfend befreiend.


Mittlerweile halte ich einen Großteil meiner Arbeit ungeschminkt und greife nur noch zu "besonderen Anlässen" in meine immer noch erschreckend große Schminkschublade. Geschätzt sind das so 2-3 mal im Monat. Unvorstellbar noch vor wenigen Jahren.


Doch jetzt, da ich mich an mich gewöhnt habe, genieße ich das Gefühl manchmal aus dem Haus zu gehen und gar nicht mehr in den Spiegel geschaut zu haben. Einfach mich ungeschminkt ehrlich zu zeigen und dafür gemocht zu werden. Ich feiere mich manchmal richtig dafür.


Klar, wenn ich mich dann schminke, ist es etwas besonderes und ich mag die, die ich im Spiegel sehe. Nur mittlerweile mag ich jede Version, die in den Spiegel schaut und das ist ein neues Gefühl von Selbstliebe.


Wie ist dein Umgang mit Makeup? Könntest du dir zum Beispiel vorstellen "Make up Fasten" zu machen und dich neu kennenzulernen oder bist du schon ganz lange nur sparsam mit dekorativer Kosmetik?

Ich bin gespannt auf deine Meinung, schreibe sie mir in die Kommentare!


Bis dahin - werde, wer du bist!


Ann-Carolin



 

TATSINN ist ganzheitliche Begleitung & Consulting für Mensch & Unternehmen. Perspektivwechsel und Entscheidungshilfe. In Berlin & weltweit per Skype mit der Potentialentwicklerin Ann-Carolin Helmreich.

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